Am 7. März 2016 hat die Wiener Umweltanwaltschaft als Atomschutzbeauftragte der Stadt zum Wiener Atomgipfel ins Rathaus eingeladen. Etwa 30 Vertreter/innen der Politik, von Anti-Atom-NGOs, und Expertinnen und Experten diskutierten über aktuelle Themen im gemeinsamen Kampf gegen die Gefahren der Atomenergie. Schwerpunkt der Veranstaltung war die Präsentation des Updates der Studie „The other Tschernobyl Report“ (2,1-MB-PDF).
Anlässlich des 30. Jahrestages der Katastrophe beauftragte die Wiener Umweltanwaltschaft, gemeinsam mit der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000, den renommierten britischen Radiobiologen, Dr. Ian Fairlie, mit einer Aktualisierung seiner Studie „The other report on Chernobyl“ zu den gesundheitlichen Folgen der Tschernobyl-Katastrophe, insbesondere zu den Auswirkungen auf Österreich.
Ergebnisse machen die dramatischen Auswirkungen von Atomkraft sichtbar
- Langfristig werden 40.000 tödliche Krebserkrankungen prognostiziert
- Fünf Millionen Menschen in Weißrussland, der Ukraine und Russland leben noch heute in radioaktiv hoch belasteten Regionen
- 37 Prozent des Tschernobyl-Fallouts fielen auf Westeuropa, 42 Prozent der Fläche Westeuropas wurden über 4.000 radioaktive Zerfälle pro Quadratmeter kontaminiert (Österreich: 83 Prozent)
- Bisher wurden schon 6.000 Schilddrüsenkrebsfälle diagnostiziert, weitere 16.000 werden erwartet
- Erhöhte Inzidenz von Leukämie, Herzkreislauferkrankungen und Brustkrebs registriert
- Erhöhte Fehlbildungsrate bei Neugeborenen, vermehrt psychische Störungen und Diabetes
- Kinder in verseuchten Gebieten sind wesentlich häufiger krank
Besonders die Freisetzung von radioaktivem Jod-131 wird in der Studie zum ersten Mal in einen internationalen Kontext gestellt: die Ostregion Österreichs sowie die angrenzenden Gebiete in der Tschechoslowakei waren in den Tagen nach dem 26. April 1986 die - nach der unmittelbaren Umgebung von Tschernobyl - am stärksten betroffenen Gebiete. Jod reichert sich in der Schilddrüse besonders bei Kindern und Jugendlichen an und erhöht somit das Risiko für Schilddrüsenkrebs. Die Auswirkungen zeigen sich laut dem Studienautor nach dem gleichen Muster wie in anderen betroffenen Regionen weltweit. Neben dem Fallout von Tschernobyl sind auch verstärkte Überwachung, bessere Diagnose und medizinische Expositionen zu radioaktivem Jod teilweise die Ursache für den beobachteten Anstieg der Schilddrüsenkrebsfälle, aber acht bis 40 Prozent der Erhöhung in Österreich nach 1990 sind auf Tschernobyl zurückzuführen.
Umweltstadträtin Ulli Sima zeigt sich entsetzt über die Ergebnisse. Sie bestärken sie in ihrem jahrelangen Kampf gegen Atomkraftwerke. „Wir kämpfen seit langem auf allen Ebenen gegen grenznahe AKWs und daher freue ich mich sehr über die Kooperation mit GLOBAL 2000. Gemeinsam können wir viel erreichen und wir werden hier nicht locker lassen. Solch traurige Jahrestage wie 30 Jahre Tschernobyl oder fünf Jahre Fukushima sollen die Öffentlichkeit wieder ein wenig wachrütteln. Wien unterstützt seit langem auch die Tschernobylkinder-Aktion von GLOBAL 2000, in dem wir Wasseraufbereitungsanlagen für besonders betroffene Regionen in der Ukraine finanzieren“, so Sima.
Anti-Atomnetzwerk CNFE
Die Stadt Wien lobbyiert auf allen Ebenen für den Atom-Ausstieg. Sima hat 2011 ein europäisches Städtenetzwerk ins Leben gerufen, das inzwischen rund 30 europäische Partnerstädte umfasst, darunter Dublin, München, Zagreb, Nicosia, Mailand und Korfu. Das Netzwerk wird von der WUA als Atomschutzbeauftragte der Stadt koordiniert. Durch das gemeinsame Auftreten des Netzwerks gegen die Pläne der Europäischen Kommission zur Förderung neuer Kernkraftwerke und das intensive Engagement gegen die Förderung von Strom aus Kernenergie setzt das Netzwerk CNFE (Cities for a Nuclear Free Europe) deutliche Zeichen.
Mehr Informationen:
Studie „The other Tschernobyl Report“, Dr. Ian Fairlie, im Auftrag der WUA und Global 2000 (2,7-MB-PDF)
Broschüre „Atomkraft Am Ende!“ (2,8-MB-PDF)
Detailbeschreibung der Katastrophe von Tschernobyl
Beschreibung KKW Tschernobyl