St. Pölten, 28. März 2017 – Pressemitteilung der Niederösterreichischen Umweltanwaltschaft

Dringender Handlungsbedarf: Das Entfernen bzw. Deaktivieren von Dieselpartikelfiltern muss ein Ende haben!

Niederösterreichische Umweltanwaltschaft ruft Behörden dringend zur Ermittlung und Prüfung strafrechtlicher Tatbestände auf

 
Ein Dieselrußpartikelfilter, meist als Dieselpartikelfilter bezeichnet, ist eine Einrichtung zur Reduzierung der im Abgas von Dieselmotoren vorhandenen Partikel. Vor allem der kohlenstoffhaltige Feinstaub gilt seit langem als gesundheitsschädlich, weil es sich dabei nicht um Rußpartikel aus reinem Kohlenstoff, sondern meist um Agglomerationen von Rußpartikeln mit anderen gesundheitsschädlichen Stoffen wie etwa PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) handelt.
 

Die moderne Dieselmotorentechnik mit Common-Rail-Einspritzung sorgt zudem für immer feinere und damit lungengängigere Feinstpartikel. Diese extrem kleinen Feinpartikel sind besonders gesundheitsschädlich und führen zu schwerwiegenden Atemwegserkrankungen vor allem bei Kindern sowie alten und kranken Menschen und zu erhöhter Mortalität. Daher werden dieselbetriebene Kraftfahrzeuge seit einigen Jahren serienmäßig zumeist mit Dieselrußpartikelfiltern mit wanddurchfluteten Keramikmodulen ausgestattet. Diese sind in der Lage, die Partikelmasse zu über 98 Prozent herauszufiltern.

Auf Basis eines Hinweises von Dipl.-Ing. Georg Hönig, Leiter der Abteilung „Technische Kraftfahrzeug-Angelegenheiten“ beim Amt der NÖ Landesregierung, konnte recherchiert werden, dass immer mehr Anbieter am österreichischen Markt – insbesondere über Internet – agieren, die das physische Entfernen des Dieselpartikelfilters mit anschließendem Einfügen eines Metallrohrs ohne Funktion anpreisen und/oder das Deaktivieren desselben in der Kfz-Software. Dabei handelt es sich laut Internet um Kfz-Werkstätten, „Tuningclubs“, usw. Argumentiert wird mit der Kostenersparnis für den Fahrzeughalter („kein Erwerb eines neuen Partikelfilters nötig“, „Kraftstoffersparnis“, „bessere Motorleistung“). Wesentlich ist, dass durch diese Manipulationen die emittierte Partikelmasse und –anzahl um ein Vielfaches ansteigt!

Die NÖ Umweltanwaltschaft hat auf Basis ihrer Webrecherche eine größere Anzahl von Personen, die im Internet als Anbieter aufscheinen, bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Diese Anzeige richtet sich zudem gegen unbekannte Täter. Auch die betroffenen Bezirkshauptmannschaften wurden bereits informiert, weiters die übrigen Landesumweltanwaltschaften.

Laut Auffassung der NÖ Umweltanwaltschaft ist zu prüfen, ob seitens der angezeigten Personen Anstiftung zum Betrug und Anstiftung zur Erfüllung weiterer gerichtlich strafbarer Umweltdelikte vorliegt. Mit Blick auf die Auftraggeber (Kraftfahrzeughalter) ist Betrug und die Begehung weiterer gerichtlich strafbarer Umweltdelikte zu untersuchen. Weiters wird im Rahmen des Verwaltungsstrafrechts zu überprüfen sein, inwieweit Normen des Kraftfahrgesetzes (Typisierung/Zulassung), des Immissisionsschutzgesetz-Luft (Fahrverbote), des Gewerberechts, des Abgabenrechts, usw. erfüllt sind.


Anzumerken ist, dass der Zulassungsbesitzer Änderungen an einem Fahrzeug unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen hat. Die Anzeige der Deaktivierung/des Ausbaus eines serienmäßig vorhandenen Partikelfilters, der zur Erfüllung einer Bauartvorschrift hinsichtlich Abgas erforderlich ist, würde zu einem ablehnenden Bescheid führen und ist unzulässig. Die Folge wäre eine Aufhebung der Zulassung oder die Rückversetzung in den genehmigten Zustand. Bei der wiederkehrenden Begutachtung (§ 57a – „Pickerl“) ist das Prüforgan verpflichtet, das Abgasverhalten und die abgasmindernden Bauteile zu prüfen. Wenn das vom Hersteller eingebaute Abgasnachbehandlungssystem fehlt, liegt jedenfalls ein schwerer Mangel vor.

Das Problem ist, dass bei der Abgasmessung im Rahmen der „Pickerl“-Überprüfung ein fehlender Partikelfilter vermutlich nur selten auffallen wird. Dies liegt daran, dass durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) die Vorgaben an die Abgasmessung von Dieselmotoren in der Vergangenheit sehr stark abgeschwächt wurden um Motorschäden zu vermeiden, weil für solche der Bund haftet. Bei Fahrzeugen mit einer sehr niedrigen sogenannten „cut-off“-Drehzahl sieht das BMVIT überhaupt nur eine Sichtprüfung vor (!). Dazu kommt, dass die derzeit vorgeschriebenen Abgasmessgeräte eigentlich nicht dazu geeignet sind, bei modernen Dieselfahrzeugen Defekte am Abgasnachbehandlungssystem festzustellen.

Die Niederösterreichische Umweltanwaltschaft fordert in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags, die Interessen des Umweltschutzes in Niederösterreich zu vertreten, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Niederösterreichischen Bevölkerung,

  • dass alle Anstrengungen unternommen werden, um denjenigen, die Partikelfilter deaktivieren bzw. ausbauen sowie jenen, die solche Manipulationen beauftragen, jedenfalls das Handwerk gelegt wird,

  • dass der Bund, insbesondere das BMVIT, endlich verlässliche Prüfstandards vorschreibt und durchsetzt, und

  • dass das Bundesministerium für Justiz die Normierung eines Straftatbestandes im StGB für derartige Manipulationen betreibt.

    Schließlich sind auch diese Vorkommnisse Hinweise auf die notwendige Bevorrangung der Elektromobilität und der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie der entsprechenden Ökologisierung des Steuersystems.

    Rückfragehinweis: Mag. Thomas Hansmann, MAS, NÖ Umweltanwalt; 02742-9005 DW 12972

Beachten Sie in diesem Zusammenhang auch die Aussendung des Umweltdachverbandes: http://www.umweltdachverband.at/inhalt/umweltdachverband-weg-mit-dem-dieselprivileg-her-mit-der-mobilitaetswende?ref=89